
Die Macht unserer Essgewohnheiten
Bei keinem anderen Thema herrscht mehr Uneinigkeit, wenn es um Richtig oder Falsch geht, die Rede ist von der Ernährung. Das Internet wird von den unterschiedlichsten Essgewohnheiten überflutet. Ob vegan, gluten‑, zuckerfrei oder ketogen, für jeden ist eine Ernährungsform dabei. Leider herrscht besonders beim Thema Ernährung bei chronischen Erkrankungen Ungewissheit. Was ist richtig? Was ist falsch? Ist es gut für mich?
In der Literatur findet man unzählige Publikationen, die sich mit der Frage beschäftigen welchen Stellenwert die Ernährung in Bezug auf die Gesundheit einnimmt. Eine sehr ausführliche Veröffentlichung ist die wissenschaftliche Arbeit von Rossano und Riccio et al. (2018). In dieser beschäftigen sich die Autoren intensiv mit der Verbindung von Ernährungsgewohnheiten, Nahrungsergänzungsmitteln und der Darmflora in Bezug auf MS sowie allgemein chronischen Erkrankungen.
Weil ich der Meinung bin, dass diese Publikation wirklich sehr hilfreich ist chronische Erkrankungen zu verstehen, möchte ich die Kernaussagen in diesem Beitrag zusammenfassen.
Der Unterschied zwischen tierisch- und pflanzenbasierter Ernährung
Der Einfluss eines Lebensmittels auf unsere Gesundheit hängt von vielen Faktoren ab.
- Ist es natürlichen Ursprungs?
- In welchem Ausmaß wurde es weiterverabeitet?
- Stammt es vom Tier ab?
Letztendlich entscheiden viele solcher Aspekte darüber, ob es nach dem Verzehr zu entzündungshemmenden- oder fördernden Reaktionen kommt.
Die Autoren unterscheiden in ihrer Publikation grundsätzlich zwei Ernährungsformen:
- Die westliche Ernährung, welche hauptsächlich durch tierische Fette charakterisiert ist, sowie die
- Pflanzenbasierte Ernährung (Vegetarisch/Vegan).
Westlich | Vegan/Vegetarisch |
Kalorienreich | Kalorienarm |
Reich an gesättigten Fettsäuren | Komplexe Kohlenhydrate |
Raffinierte Kohlenhydrate | Obst und Gemüse |
Hoher Zuckergehalt | Fisch |
Frittierte + | Hülsenfrüchte |
Hoher Salzgehalt | Probiotika + Vitamine |
Beide Ernährungsgewohnheiten sind durch besondere Merkmale chrakterisiert und können entweder anabolisch (entzündungsfördernd = westliche Ernährung) oder katabolisch (entzündungshemmend = vegane Ernährung) wirken.
Aber was sind die Prozesse, die darüber entscheiden?
Aus den Augen, aus dem Sinn: die Macht der Darmflora
Die Aufnahme und Verdauung von Nahrung erfolgt im Magen-Darm-Trakt. Der Bereich zwischen Darmwand sowie der Nahrung beinhaltet eine Vielzahl an Mikroben, die allgemein als Darmflora bezeichnet wird und je nach Ernährungsgewohnheiten aus unterschiedlichen Bakterienstämmen besteht.
Während in der pflanzlichbasierten Ernährung hauptsächlich Bacteroidetes (gram negativ) zu finden sind, ist die westliche Ernährung hauptsächlich durch die Anwesenheit von Firmicutes (gram positiv) charakterisiert.
Obwohl sie oft nicht genug Beachtung findet, ist die Darmflora ein wesentlicher Bestandteil vieler Prozesse:
- Einfluss auf die Nahrungsresorption
- Steuuerung von neuroendrokinen- und entzündlichen Prozessen
- Gesundheit des Gehirns
Tilg et al. (2009) konnten zeigen, dass die Darmflora auf geänderte Ernährungsgewohnheiten reagiert und sich gezielt anpasst. Demzufolge hat die Wahl der Ernährung einen hochgradigen Einfluss auf die Gesundheit bzw. den Verlauf einer Erkrankung. Aber was ist der Hintergrund?
Unsere Essgewohnheiten sind jeden Tag unterschiedlich und auch wenn wir eine Diät beginnen, ist die Darmflora in der Lage sich auf geänderte Bedingungen einzustellen. Grund hierfür ist die Vielfalt der Mikrobiota, welche unsere Darmflora ausmachen. David et al. (2014) konnten genau diesen Prozess beschreiben, betonen allerdings, dass nur eine dauerhafte Ernährungsumstellung zu einer effektiven Änderung der Darmflora führt. Wird demzufolge eine Diät nicht konsequent beibehalten, kehrt der ursprüngliche Zustand der Darmflora zurück.
Eine gesunde Darmflora ist dadurch gekennzeichnet, dass sie über Mikrobiota in ausreichender Menge und Arten verfügt. Diese Kennzeichen erlauben eine höhere Widerstandsfähigkeit gegenüber Infektionen, Stress, Stoffwechselveränderungen und bestimmen die anschließende Erholung.
Der Zusammenhang zwischen Essgewohnheiten und der Darmgesundheit
Die Wahl für oder gegen eine pflanzliche Ernährung wirkt sich in besonderem Maße auf die Darmgesundheit aus. Aber wie lässt sich der Zusammenhang zwischen einer gesunden Darmflora und der allgemeinen Gesundheit erklären?
David et al. 2014 konnten zeigen, dass eine pflanzenbasierte Ernährung durch eine Erhöhung der Bakterienvielfalt gekennzeichnet ist, wohingegen eine tierischbasierte Ernährung eher zu einem Verfall dieser führt. Ein Grund hierfür ist der in der tierischbasierten Ernährung aufgenommene Fettgehalt, welcher für die Verdauung hohe Gehalte an Gallensäure erfordert. Während die für eine tierischbasierten Bakterien in diesem Milieu überleben können, haben die für eine pflanzenbasierte Ernährung typischen Bakterien keine Überlebenschance. Aufgrund dessen wird eher das Vorkommen des einen Bakterienstamms gegenüber dem anderen bevorzugt.
Im Gegensatz dazu wird für die Verdauung komplexer Kohlenhydrate, charakteristisch für die vegane/vegetarische Ernährung, eine höhere Anzahl und Vielfalt von Bakterien benötigt. Während des Abbaus komplexer Strukturen werden innerhalb mehrerer Schritte kurzkettige Fettsäuren, insbesondere Butyrat, gebildet, welches besondere Aufgaben erfüllt:
- Hauptenergiequelle der Darmzellen
- schützende Wirkung durch Anpassung des pH Wertes
- Einfluss auf unterschiedliche Stoffwechselprozesse
Ein hoher Verzehr an Fleisch reduziert die Produktion des Butyrats und kann bei Mangelerscheinungen zu weitreichenden Problemen führen.
Einfluss der Darmgesundheit auf neurologische Erkrankungen
Eine vermehrt tierischbasierte Ernährung führt nicht nur zur Verringerung der Bakterienvielfalt, vielmehr kommt es aufgrund dieser Ernährungsform zu einer vermehrten Anzahl an Endotoxinen, beispielsweise Lipopolysaccharide (LPS), welche wiederum entzündungsfördernde Mediatoren freisetzen und eine Öffnung der Darmbarriere induzieren. Durch die Öffnung dieser Barriere kommt es zur Freisetzung schädlicher Substanzen wie LPS, was folglich zu einer ansteigenden niedriggradigen bis hin zur chronischen Entzündung im Organismus führt.
Mittlerweile ist bekannt, dass die Darmflora einen Einfluss auf neurologische Erkrankungen wie MS oder Parkinson hat. Bei Untersuchung von MS- und Parkinsonpatienten konnte man feststellen, dass beide Gruppen besondere Merkmale der Darmflora aufweisen. Um diese Vorgehensweise besser verstehen zu können, gehen die Autoren Riccio und Rossano von folgendem Verlauf aus:

Buscarinu et al. (2017) konnten darüber hinaus zeigen, dass eine Veränderung der Darmdurchlässigkeit mit der schubförmigen, remittierenden MS in Zusammenhang gebracht werden kann. Des Weiteren kann bereits die systemische Entzündung zu einer negativen Entwicklung von MS beitragen.
Die Voraussetzung für neurologische Erkrankungen ist die Störung der Blut-Hirn-Schranke. Die Autoren gehen davon aus, dass die Faktoren, welche bereits zur Undichtigkeit des Darms geführt haben, ebenfalls in der Lage sind eine Störung der Blut-Hirn-Schranke hervorzurufen.
Dies führt zu der Annahme, dass es einen Zusammenhang zwischen schlechten Ernährungsgewohnheiten (westliche Ernährung), einem resultierenden Ungleichgewicht der Darmflora und einer letztendlich auftretenden neurologischen Erkrankungen gibt.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich festhalten: ein Ungleichgewicht der Darmflora kann zu einer Störung der Darmbarriere führen, wodurch schädliche Substanzen wie LPS freigesetzt werden. Durch die Anwesenheit dieser Substanzen im Blutkreislauf kommt es zu niedriggradigen Entzündungen bis hin zum Zusammenbruch der Blut-Hirn-Schranke. Die letzte Konsequenz ist die Entstehung von neurologischen Erlrankungen.
Ich hoffe, ich konnte mit der Zusammenfassung dieser Publikation verdeutlichen welche entscheidende Rolle unsere Ernährung einnimmt. Vor allem, wenn man bereits unter neurologischen Erkrankungen leidet, könnte eine Überprüfung der täglichen Essgewohnheiten zu einer Verbesserung des Krankheitsbildes führen.
Du hast die Wahl. Sei kein Opfer.
Claudia
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